Mutter Unser

03/2010
Mutter Unser

Die Mutter ist von fundamentaler Bedeutung für das eigene Leben wie für den Aufbau einer Gesellschaft. Aber Mutter ist keine stereotype oder verlässliche Ressource. Denn dazu wurde sie immer wieder zu sehr missbraucht. Neue Populationsängste der europäischen Ethnien knüpfen dort wieder unverblümt an: Uns gehen die Kinder aus. Vergangenheit wie Gegenwart zeigen: Mütter können auch anders. Sie orientieren sich an Leitbildern des Mütterlichen, die in einer Gesellschaft zirkulieren. Sie müssen ihre Rolle aber auch jeweils neu erfinden. An diesem Reservoir der Bilder und an den neuen Herausforderungen arbeitet auch die Kunst beständig weiter. Welche neuen Bilder der Mutter –
und wenn ja, wie viele? – finden sich in der Gegenwartskunst? Und welche soziale Infrastruktur der Kunst wird dabei sichtbar?
Es fällt auf, dass die Arbeit am Bild der Mutter lange mit einem Tabu belegt wurde. „Kunst und Kirche“ widmet sich mit diesem Heft einem Thema, das zwischen der Patina einer früher gekannten Madonnenfrömmigkeit, der ganz alltäglichen Schönheit wie Mühsal in der Arbeit mit Kindern und dem Scheinwerferlicht feministischer Auseinandersetzungen mit Geschlecht und Gender oder der aktuellen Debatte um Human Design Orientierungspunkte setzt.
Es ist selbstverständlich, auch wenn die Heftgestalter männlich sind, dass in einem Heft zum Mutterthema Frauen das Sagen haben. Kuratorinnen, Künstlerinnen, Kunsthistorikerinnen, Philosophinnen öffnen in den folgenden Beiträgen Horizonte zwischen Kunstgeschichte, Ausstellungspolitik und aktueller Kunstproduktion. Das „Unzeitgemäße und Leistungsfeindliche“ der Mutterrolle auch für den Kontext Kunst kommt in den näheren Betrachtungen mehrfach vor. Das Heroische, in der heutigen Gesellschaft diese Rolle zu gestalten, ebenso: Statt „Motherhood“ also „Mother Hood“.
Und schließlich ist dieses Heft von einer merkwürdigen Besessenheit geleitet: Wie ist das Mutterthema heute im Spiegel des alten Motivs der Madonna mit dem Kind zu sehen? Wie kann seine Schönheit gerettet werden ohne vor Kitsch zu triefen? Ein schwieriges Unterfangen, klar. Lesen Sie selbst, ob dies gelingen kann!

Johannes Rauchenberger, Thomas Erne

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