Kirchenumnutzungen - Der Blick aufs Ganze

04/2015
Kirchenumnutzungen

Kirchenumnutzungen gibt es, seit es Kirchen gibt. Sie sind Ausdruck eines Wandels der Gesellschaft, dem sich die Institution Kirche nicht entziehen kann. Einen Umgang damit zu finden, verlangt einen Blick aufs Ganze, so die The- se des Ersten Schweizer Kirchenbautags, der am 21. August 2015 in Bern statt- fand. Die Beiträge in diesem Heft, die auf den Vorträgen der Tagung basieren, diskutieren Kirchenumnutzungen aus einer kirchlichen, denkmalpflegerischen, theologischen, städtebaulichen, politischen, rechtlichen, volkswirtschaftlichen und soziologischen Perspektive.

Sonja Keller setzt sich kritisch mit der kirchlichen Binnenperspektive auf das Thema auseinander und schlägt vor, in der Umnutzungsdebatte den Bedeu- tungsüberschuss der Kirchengebäude zu berücksichtigen. Eva Schäfer erkennt in der Umnutzung eine Chance für den Erhalt einer Kirche, sofern sie möglichst der ursprünglichen Nutzung entspricht sowie nachhaltig und substanzerhaltend ist. David Plüss unterscheidet vier theologische Funktionen des Kirchenraumes und plädiert dafür, bei erweiterten Nutzungen die Andersheit der Räume sowie deren soziale Gestalt zu wahren. Johannes Stückelberger analysiert den stadt- bildprägenden öffentlichen Charakter der Kirchengebäude und nennt als idea- le Neunutzer öffentliche Institutionen. Stefanie Duttweiler greift drei gängige politische Argumente für die Bedeutung der Kirchen auf und fragt kritisch, ob diese noch dem Selbstbild der heutigen Gesellschaft entsprechen.

René Pahud de Mortanges und Burim Ramaj stellen die verschiedenen recht- lichen Normen dar, die bei Kirchenumnutzungen zum Tragen kommen, und schlagen ein überlokales Expertentum in der Frage vor. Michael Marti stellt zur Debatte, inwiefern daraus, dass Kirchengebäude ein öffentliches Gut dar- stellen, ein Engagement der öffentlichen Hand abgeleitet werden kann. Anna Körs diskutiert Kirchenumnutzungen als soziale Handlungsträger, die bei ei- ner erweiterten religiösen Nutzung Gesellschaft gestalten können. Statt von Umnutzung zu sprechen, schlägt Albert Gerhards vor, über eine angemesse- ne Nutzung nachzudenken, für die die gesamte Bevölkerung mitverantwort- lich ist. Fazit der Tagung: Kirchen sind besondere Räume, deren Abriss und Verkauf möglichst zu vermeiden sind. Dem öffentlichen Charakter der Gebäu- de angemessen ist eine weiterhin öffentliche Nutzung mit einer erweiterten, nicht mehr allein kirchlichen Trägerschaft. In der Mitte des Hefts finden sich Beispiele von bereits realisierten, zum Teil auch erst projektierten Kirchenum- nutzungen in der Schweiz.

Konzipiert und organisiert hat den Ersten Schweizer Kirchenbautag das Kom- petenzzentrum Liturgik an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Unterstützt wurde es vom Bundesamt für Kultur, der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz, den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, der Evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern und der Römisch-ka- tholischen Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung. 

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