Gott ist (k)ein Museum

02/2012
Gott ist (k)ein Museum

Eines, keines. Ein banales Spiel, eine Portion Verneinung, eine Portion Behauptung: Diese Ausgabe von „kunst und kirche“ hat dann ihren Sinn erfüllt, wenn die „Musealisierung der Religion“ aufgebrochen wird ins Heute. Wenn das, was wir gemeinhin „Museum“ nennen, nur insofern ein „Depot“ ist, als es unsere Gesellschaft, deren Teil zumindest in unseren Breiten immer noch die Kirchen sind, als einen Ort der ästhetischen Gegenwartserkundung und -bewältigung ansehen und anerkennen. Als einen Ort, an dem seismographisch Orientierung stattfinden kann – in Hinsicht auf Epochen-, Zeit- oder Existenzerkenntnis. Nun wissen wir alle, Museen sind Minderheitenprogramme, auch wenn sie mittlerweile immer mehr auf Quoten schielen. Aber qualifizierte Orte, das kennen wir besonders von den Rechtssystemen der katholischen Kirche, lassen sich eben nicht einfach demokratisch bemessen und beziffern. Also sind sie nicht zu unterschätzen. Joseph Beuys hat Museen einmal „Laboratorien“ genannt. Reagenzsituationen für neue Aggregatszustände schaffen, Destillationsorte für eine klare Scheidung der Geister zu ermöglichen – das könnten Kunstwerke anstellen, stellen wir uns das einmal bezogen auf unser Thema vor.
„Musealisierung der Religion“ hat derzeit natürlich viel mehr bitter schmeckende Geschmackstoffe denn wohlbekömmliche. In diesem Heft geht es vorrangig um letztere. Die „Musealisierung der Religion“ hat zudem eine Zwillingsschwester: Sie heißt Tradition. Auch sie ist nichts Vergangenes, sondern schreibt sich täglich weiter, insofern ist sie enorm regenerationsfähig. Das ist die positive Nachricht. Die andere ist, dass es über ihr Aussehen auch die Deutungshoheit gibt. Gerade Kunst lässt sich diese nicht vorschreiben. Sie geschieht, sofern sie lebt. Auch mit diesem Hinweis sind genug Fährten für neue Reaktionen für „Gott ist (k)ein Museum“ ausgelegt.
Souverän ist also der, der die „Tradition“ zu deuten weiß, und zwar in einem höheren Maße als der, der über sie verfügt. (Carl Schmitt hatte diese Verfügungsgewalt bekanntlich auf den Ausnahmezustand bezogen. Und Tradition droht derzeit immer mehr zum Ausnahmezustand erklärt zu werden.)
Jene erste Sicht der Souveränität verdanke ich meinem Lehrer Alex Stock. Ihm, der im Frühling seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, möchte ich dieses Heft widmen. Er hat mir vor Jahren den Floh mit der Musealisierung ins Ohr gesetzt. Auch, dass nicht alles, was als Dogma gilt, geglaubt werden muss: etwa, dass „Gott tot“ (Nietzsche) ist, dass wir „vor den Bildern keine Knie mehr beugen“ (Hegel) und was es eigentlich heißt, dass die „Bildgeschichte Gottes abgelaufen“ (Schöne) ist. Und, dass sich Religionsgeschichte eben auch weiter schreiben kann.

Nach einem Einleitungskapitel, das die „Jubiläen“ (50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils, 40. Geburtstag dieser Zeitschrift) zum Anlass nimmt, ein „Update“ ins 21. Jahrhundert vorzunehmen, wird in diesem Heft eine Art „Museum“ mit Bildern vorgeführt, die sich explizit mit „Gott“ im 21. Jahrhundert auseinandersetzen. Auf Bildseiten mit konkreten Werken, in ausführlichen KünstlerInnengesprächen, in expliziten Werkvorstellungen. Die Auseinandersetzungen sind in realen Ausstellungen entstanden. Musealisierung ist ein Prozess: Gott ist ein Museum.

Johannes Rauchenberger

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