Enthusiasmus

01/2018
kunst und kirche 1/2018

Der Enthusiasmus ist „… eine Anspannung der Kräfte durch Ideen, welche dem Gemüte einen Schwung geben, der weit mächtiger und dauerhafter wirkt als der Antrieb durch Sinnenvorstellungen“, stellt Kant in seiner Kritik der Urteilskraft unter dem Eindruck der Ereignisse der Französischen Revolution fest. Der Enthusiasmus als gesellschaftliches Phänomen richtet sich auf eine Veränderung zum Guten. Er ist getrieben von der Idee, dass es nach der angestrebten Veränderung vielen besser gehen wird. Diese Motivation, dieser Schwung taucht an verschiedenen Zeitstellen geballt auf und löst kollektive Emotionen aus. In diesem Jahr wird einer enthusiastischen Phase gedacht, die nun 50 Jahre vorbei ist (Syring). 1968 ist die Chiffre für engagierten Aufbruch, gemeinsame Ziele, Ideen von Bildung und Freiheit als Erlebnis einer Generation. Kant wusste, dass solche Bilder und Konkretionen kaum einen erneuten Enthusiasmus als Gemeinschaftsphänomen auslösen werden. Die Bedingungen für dessen Entstehung sind zu komplex und vielfältig. Das Unverfügbare des Enthusiasmus (Hauck) braucht Ermöglichung und den Mut, sich auf ein offenes Spiel einzulassen (Steinweg). Weil das so ist, fehlte Kant bei der Sache die Vernunft, denn die Einbildungskraft sei zügellos und der Ausgang nicht berechenbar.  Möglich scheint es aber, in einem überschaubaren Rahmen Konstellationen zu schaffen, die Enthusiasmus nutzen und stärken (Ambach), oder dadurch bestärken, dass der Horizont der gesellschaftspolitischen Erwartungen so verschoben, dass er näher rückt – aber kann er sich sogar für ein Bewahren von Gutem begeistern (Müller)? Der enthusiastische und riskante Aufbruch drückt sich auch im Werk von Künstlerpersönlichkeiten, die anregend oder begeisternd auf andere wirken (Jansen). Enthusiasmus kann auch die konkrete eigene Leidenschaft und Motivation bezeichnen, mit der darum gerungen wird, Lebensverhältnisse zu verbessern (Denk). Gelegentlich wird die Sehnsucht nach einem Aufbruch in eine bessere Zukunft mit Enthusiasmus verwechselt,– aber es fehlt die Energie zur Aktion, es springt kein Funke über und die Variabilität der eigenen Position nimmt der Absicht den Schwung. Das wird gern beklagt, hilft aber nicht. Die Unverfügbarkeit des Enthusiasmus bleibt irritierend und faszinierend für alle, die Zeitwenden erleben und im Kontakt mit Persönlichkeiten sind, die ergriffen sind vom Wunsch nach Veränderung und Gestaltung. Der ungebremste Einsatz für die Idee des Guten, für eine bessere Welt und eine neue Form des Miteinander entsteht offensichtlich aus einem Bündel von Antrieben: aus Sehnsucht, Übermut, Engagement und Begeisterung, die sich anderen mitteilt. Enthusiasmus beschreibt in den Künsten für viele Akteure den eigenen Antrieb (Fürnkäs) und trifft sich darin mit dem Selbstverständnis von Kirche.

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