Commons
Dass es nicht nur gegeneinander geht – in Politik, Wirtschaft, Kultur und Kirche –, sondern gute Lösungen nur gemeinsam zu erzielen sind, das ist gegenwärtig eine verzweifelte Hoffnung. Aber es sollte mehr sein: eine gefestigte Überzeugung, die auf belastbare Erfahrungen verweisen kann. Das englische Wort „commons“ weist genau in diese Richtung. Zukunft ist nur als gemeinsame zu haben. Dafür braucht es Gemein-Orte, Gemein-Kräfte, Gemein-Geister …
Commons beziehen sich auf eine Fläche, auf Plätze, Häuser oder Räume. Commons bezeichnen die Offenheit für eine gemeinsame Nutzung. Der Spielraum der Interpretation ist weit – der durch und durch positive Begriff der Commons löst Phantasien, Sehnsüchte, aber auch Impulse und Initiativen aus. Uns geht es um terminologische Zuwegungen, viel mehr aber noch um Beispiele von gelungenen Umsetzungen der jeweiligen Hypothesen und um die Bedingungen des Gelingens.
Mit der Suche nach dem Ursprung des heutigen „Commons“- und „Commoning“- Diskurses führt der Weg unweigerlich zur Forschung von Elinor Ostrom über die klassischen/traditionellen „Allmenden“. In Europa führt dieser Weg uns in den Alpenraum. Von dort aus beginnt unser Heft geografisch mit einer kleinen Reise durch die Schweiz – und chronologisch bis zurück zum frühen 16. Jahrhundert.
Anfang des 21. Jahrhunderts hingegen ist die Wortfügung „Dritte Orte“ für manche zu einem Analogon der Commons geworden. Dritte Orte jenseits von Haushalt und Arbeit als gesellschaftlich etabliertem Raum verdeutlicht Ulrich Lilie an Beispielen aus der Geschichte der Diakonie, aus denen er manifeste Schlussfolgerungen für den Umgang mit kirchlichen und diakonischen Grundstücken und Gebäuden ableitet.
Damit Commons in die Realität starten, braucht es Initial-Kapital. Die Montag Stiftung Urbane Räume hat es sich zum Prinzip gemacht, durch Beratung Kapital und Ideen so zusammenzubringen, dass erfolgreich und unabhängig von konstanter Drittmittelzufuhr eigenständige Lebendigkeit in Quartieren entsteht.
Um Gelingensbedingungen geht es bei der Umnutzung kirchlicher Räume. Zu häufig wird erfahrungsentkoppelt bei null angefangen, dabei gibt es längst Beispiele dauerhaft praktizierter Partnerschaften im Sozialraum zum allgemeinen Nutzen. Hinzu kommen seit wenigen Jahren auch der Klima-Diskurs und ökologische Motive, wie substanziell nachhaltiger – im Sinne der klassischen/ traditionellen Allmenden – gelebt werden kann, weshalb uns unsere Reise zu den Nachbarschafts- und Genossenschaftskonzepten der Stadt Zürich führt, die auf die 1980er Jahre zurückreichen.
Zukunftsorte ist der Titel eines Netzwerks im ländlichen Raum, das an der Kultivierung gemeinschaftlicher Initiativen interessiert ist und sozio- kulturelle Projekte begleitet. Unsere Reise führt uns auch zu den Neuen Auftraggebern, die sozio-kulturelle künstlerische Prozesse im öffentlichen Raum moderieren und kuratieren.
Gibt es städtische Situationen, in denen Kulturinstitutionen solitär bleiben sollten? Bei der Berliner Großbrache zwischen Philharmonie und Neuer Nationalgalerie tauchte diese Frage auf, auf die Hannes Langbein von der Kulturkirche St. Matthäus eine schlüssige Antwort hat.
(JOHANN HINRICH CLAUSSEN, THORSTEN NOLTING, ALEXIA ZELLER)