Care | Caritas in Kunst und Gegenwart

03/2022
Care | Caritas in Kunst und Gegenwart

Care umschließt das Bedeutungsfeld von Betreuung, Pflege und Fürsorge und steht seit den 1990er Jahren für eine intensiv geführte Debatte um die oftmals wenig wertgeschätzte und häufig unsichtbare Care-Arbeit in Versorgungsberufen, Reproduktionsarbeit und in der Kranken-, Haus- und Familienpflege. Daraus ergeben sich Fragen nach Geschlechtergerechtigkeit, Migration und Ökonomie, die bis heute virulent sind. Kirchliche Institutionen sind stark in diese Prozesse eingebunden, da sie sich unter dem theologischen Traditionsbegriff der Caritas als christlicher Tugend und dem Ideal der Nächstenliebe verpflichtet wissen, zugleich aber als konkurrenzfähige Akteure im ökonomischen und politischen Feld der Pflegedienstleistung zu bestehen haben. Im Bereich der zeitgenössischen Kunst wiederum hat der Care-Begriff seit einigen Jahren Konjunktur und thematisiert in vielfältiger Weise Transformationen in Pflege, Fürsorge und caritativem Helfen vor dem Hintergrund gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen durch Digitalisierung, Globalisierung und ökonomisch-ökologische Krisen. Zugleich richtet sich der Care-Begriff gegen den Kunstbetrieb selbst und seine von Ausbeutung und hierarchischen Machtstrukturen geprägten Marktlogiken. Care kann damit auch als Programm betrachtet werden, um Visionen neuer ästhetischer Darstellungsformen und Demokratisierungsprozesse zu entwickeln, die sich unmittelbar auf künstlerische und kuratorische Konzepte in unterschiedlichen Bereichen auswirken. Schließlich haben alle diese semantischen Nuancen Eingang in den Begriff Landscapes of care gefunden, der in verschiedenen Disziplinen wie Humangeographie, Architektur oder Urbanismus auch methodisch zum Einsatz kommt. Wie die Beiträge des Heftes zeigen, verbinden sich in der Begegnung von Care und Kunst hochbrisante Themen gegenwärtiger Ethik und Gesellschaftskritik mit jahrhundertealten ästhetischen und spirituellen Motiven von Barmherzigkeit, Caritas und Compassio. Sie legen damit Spuren frei, die an die anthropologischen Grundlagen unserer Gemeinwesen rühren.

 

ILARIA HOPPE, HANNES LANGBEIN, THORSTEN NOLTING UND PETER SCHÜZ

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