MODE

02/2016
Mode

Mode als Thema der Zeitschrift kunst und kirche? Das mag zunächst überraschen, wird doch Mode in unserer Kultur mit Frivolität, mit Konsum und Luxusassoziiert und so als Gegensatz zur Kunst gesehen – und zur Kirche sowieso. Aber ist der Kirchgang zuweilen nicht auch eine willkommene Gelegenheit, ein neues Outfit zur Schau zu stellen? Und ist nicht der Gottesdienst selbst von der Lust am Festlichen und Schönen geprägt? Bezogen auf die Kleidung zeugen davon materielle Kostbarkeit, handwerkliche Meisterschaft und gestalterische Qualität liturgischer Gewänder. Sie setzen ins Bild, dass es in der christlichen Lehre eine Tradition gibt, Schönheit als transzendentale Bestimmung des Seins zu verstehen. Der Liturgiewissenschaftler Michael Kunzler deutet Kleidung als ein wichtiges Kulturgut: „Weit über den Zweck hinaus, den Menschen vor Kälte und Nässe zu schützen, ist das Kleid ein Gegenstand der Zierde. Menschen hüllen sich in Kleider und Gewänder, um sich damit den anderen in einem besonderen Licht zu zeigen.“ Und er erklärt, dass es eine der wichtigsten Aufgaben der Liturgiewissenschaft sei, „nach den Möglichkeiten des Kleides als gottesdienstlichem Symbol zu fragen.“1 Seine Worte erinnern an die Definition der Mode durch Gertrud Lehnert: „Tatsächlich wäre Mode keine Mode ohne […] jenen ästhetischen Überschuss, der mit Nützlichkeit und Tragbarkeit nichts zu tun hat.“2 Sie interpretiert Mode als ästhetisches Spiel jenseits von Notwendigkeiten.

Der Spielraum der Mode kann dazu dienen, auf das Transzendente zu verweisen und religiöse Identität zu markieren – aber auch dazu, Mode der Kunst anzunähern. Aktuell ist es geradezu en vogue, Kunst und Mode zu verbinden. Auch das aber ist keine völlig ‚neue Mode‘, sondern hat eine lange Tradition. So formuliert Charles Baudelaire 1863 in der Begründung der ästhetischen Moderne: „Das Schöne besteht aus einem ewigen, unveränderlichen Element, dessen Anteil äußerst schwierig zu bestimmen ist, und aus einem relativen, von den Umständen abhängigen Element, das, wenn man will, eins ums andere oder insgesamt, die Epoche, die Mode, die Moral, die Leidenschaft sein wird.“ Und er misst dabei dem Flüchtigen – also der Mode – eine besondere Bedeutung bei: „Ohne dieses zweite Element […] wäre das erste Element unverdaulich, unbestimmbar, der menschlichen Natur unangepaßt und unangemessen.“3 Das Heft widmet sich exemplarischen Fragen und Phänomenen zwischen Mode, Kunst und Kirche. Auf den Anspruch eines erschöpfenden Überblicks in diesem dynamischen Handlungs- und Forschungsfeld wird verzichtet. Die breit gestreuten Beiträge können aber das Bewusstsein schärfen für „Sprachen der Kleidung“ in Kirche, Kunst, Kino, Haute Couture und Alltag.

Barbara Schrödl

1 Kunzler M., Liturgiewissenschaft (Theologie betreiben – Glaube ins Gespräch bringen. Die Fächer der katholischen Theologie stellen sich vor, hg. v. M. Kunzler u. L. Gerosa, Bd. 3), Paderborn 2001, 59–60.

2 Lehnert G., Das vergängliche Kleid, in: Kunstforum International 197 (Juni-Juli 2009), 266–284, hier 274.

3 Baudelaire Ch., Der Maler des modernen Lebens (1863), in: ders., Aufsätze zur Literatur und Kunst 1857–1860 (Sämtliche Werke, Briefe in acht Bänden, hg. v. F. Kemp, C. Pichois u. W. Drost, Bd. 5), München/Wien 1989, 213–258, hier 215.

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