Megaevents

04/2017
kunst und kirche 4/2017

 

Kaum ein Jahr war dermaßen von Megaevents der Kunst geprägt wie 2017: documenta 14 in Kassel und Athen, Skulptur Projekte Münster, Biennale Venedig, Reformationsjubiläum – um nur die wichtigsten Ereignisse, insbesondere des (zentral-)europäischen Raums zu nennen. Wo fahre ich hin? – und damit verbunden: wohin nicht?, waren die Fragen, die sich viele Freunde der Kunst stellten. Andere takteten bereits zu Jahresbeginn ihren Terminkalender nach Eröffnungsfeierlichkeiten und Pressekonferenzen. kunst und kirche entschied, weder ein Begleitheft zu einem der Events zu konzipieren, noch in einen Wettlauf mit dem sämtliche Großereignisse kommentierenden Kunstjournalismus zu treten.

kunst und kirche kommt danach, nachdem die Ausstellungshallen geschlossen sind, der Stadtraum wieder aufgeräumt ist, die Künstlerinnen abgereist sind, die Kuratoren verstummt sind und Bilanzen gezogen wurden. kunst und kirche sieht daneben und fragt nach den ausgefransten Rändern. Exklusiv für dieses Heft wurde eine Fotokünstlerin beauftragt, Randzonen und Nebenschauplätze zu dokumentieren. Georgia Kotretsos hat beobachtet: in Athen, in Kassel und in Venedig. Der daraus entstandene Fotoessay begleitete unserer Reflexionen. Er findet sich durchgängig auf den Verso-Seiten und bildet hier ein eigenes, nicht zwingend mit den Textbeiträgen (und deren Bebilderung) verbundenes, Statement.

Die textliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen kultureller Megaevents wird eingeleitet durch einen Grundsatzbeitrag des Soziologen Walter Siebel zur Festivalisierung der Stadtpolitik, und ausgeleitet durch eine kirchen-kultur-politische Reflexion des Theologen Hannes Langbein unter dem Leitmotiv „Nach dem Fest“. Dazwischen reihen sich Essays und Interviews seitens (ehemaliger und gegenwärtiger) RedakteurInnen der Zeitschrift: zur documenta (Di Blasi, Hanemann/Schüz), zu Skulptur Projekte (Nolting), zur Biennale (Kölbl) sowie ein vergleichender Nachklang (Zürcher).

“If we are, what we see and when we cannot in fact see… can we still therefore be?” schreibt Georgia Kotretsos in ihrem Statement zum Fotoessay. Möglicherweise sehr ähnlich formuliert Hannes Langbein: „Darum lohnt es sich […] aufmerksam zu bleiben – sei es im Zustand des Wachens oder im Zustand der erschöpften Müdigkeit. Denn genau dort tauchen die Nach-Bilder  […] auf und werden virulent: Als Traumbilder und Wiedergänger. Nach dem Fest. Nach dem Schlaf.“  Ein Zustand besonderer Rezeptionsfähigkeit in der Ermüdung – daneben und danach.

Monika Leisch-Kiesl

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