Konfessionskulturen

02/2013
Konfessionskulturen

Konfessionskulturen. Was soll dieses Thema? Liegt es im Zeitalter von Ökumene und interreligiösem Dialog nicht vollkommen quer in der Landschaft? Mag sein. Und gleichzeitig stellen wir fest, dass nicht nur die Religionen, sondern spezifischer auch die Konfessionen das Leben in unseren Gesellschaften noch immer wesentlich mitprägen, nicht nur das kirchliche, auch das politische und kulturelle. Als Folge der Glaubensspaltungen im 16. Jahrhundert haben sich unterschiedliche Konfessionskulturen ausgebildet, die bis heute spürbar sind, auch wenn die konfessionellen Milieus in der Gegenwart an Bedeutung verloren haben. Diesem Phänomen möchten wir hier an der Schnittstelle von Kunst und Religion nachgehen.

Unsere These lautet: In den verschiedenen Konfessionen haben sich unterschiedliche Auffassungen vom Bild und seinen Funktionen ausgebildet, die nicht nur historisch verortet werden können, sondern das künstlerische Schaffen zum Teil bis heute prägen. Wenn in den folgenden Beiträgen wiederholt von konfessioneller Prägung die Rede ist, verstehen wir darunter nicht nur persönliche Prägungen. Konfessionen sind auch kulturell prägend über gesellschaftliche Mentalitäten und kulturelle Identitäten, die sich über Jahrhunderte ausgebildet und im kulturellen Gedächtnis einer Stadt oder eines Landes eingebrannt haben. Uns ist bewusst, dass wir uns mit dem Heftthema auf dünnem Eis bewegen, insbesondere, wo wir über den Rand des kirchlichen Kunstschaffens hinausblicken, was ja eines der Grundanliegen der Zeitschrift ist. Und gleichwohl sind die Beispiele, die wir hier zusammentragen, nicht einfach von der Hand zu weisen. Wir wollen in diesem Heft weniger feste Behauptungen aufstellen, als vielmehr offene Fragen diskutieren. So sind mehr als die Hälfte der Beiträge Gespräche. Über das Heft verteilt finden sich zudem Zitatfragmente von Künstlerinnen, Schriftstellern, Kirchenleuten und Kunsthistorikerinnen, die den Leserinnen und Lesern zusätzlichen Stoff für eigenes und weiterführendes Nachdenken liefern. Einen eigenen, zum Teil von den Texten unabhängigen Argumentationsstrang bilden auch die Abbildungen.

Wir beabsichtigen mit diesem Heft keinen neuen Kulturkampf und wollen auch keine konfessionalistischen Feindbilder pflegen. Uns geht es vielmehr um eine Schärfung des Instrumentariums zur Bestimmung des Verhältnisses von Kunst und Kirche beziehungsweise von Kunst und Religion. Die Kirche oder die Religion gibt es nicht. Es sind letztlich immer konfessionell verfasste Kirchen und Religionen, mit denen wir es zu tun haben: Kirchen und Religionen, die nicht nur unterschiedlich theologisch profiliert sind, die vielmehr auch unterschiedliche kulturelle Identitäten ausgebildet haben. Diesen kulturellen Reichtum in seiner konfessionellen Spezifik zu kennen, dient nicht zuletzt der Arbeit an einer lebendigen Profilökumene.

Johannes Stückelberger

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